Das ist es
Nur
Zehn Meter entfernt
Mit dem Rücken zu mir
Ein kalter Schweiß
Fließt
Durch
Meinen Rücken
Oh! Mein Gott!
Wie kann ich das tun!
Ich richte
Mein Gewehr
Genau auf seinen Nacken
„Keine Bewegung!“
Ein Schall
Von den Bergen
Das ist meine Stimme!
Meine Haare stehen zu Berge
„Keine Bewegung!“
Nochmals
Angst einerseits
Aufregung andererseits
„Hände hoch!“
Seine Hände gehen hoch
Er erstarrt
Ohne Widerrede
„Waffe weg!“
Er wirft sie weg
Ohne Widerrede
„Umdrehen!“
Er dreht sich um
Ohne Widerrede
Nun
Richte ich
Mein Gewehr
Auf die Stirn
Genau
Zwischen
Beide Augenbrauen
„Komm näher!“
Zaudernd
Macht er
Einen Schritt
Zögernd
Noch einen
Und
Nochmals einen
Mein Herz dröhnt
Meine Zähne klappern
Ich schmeiße die Waffe weg
Und
Springe auf
Nein
Ich springe nicht
Ich fliege
Und
Ich umarme
Diese Statue
Aus Marmor
Mit kreidebleichem Gesicht
„Hab keine Angst!“
Ganz außer Atem
Ist es überhaupt möglich
Keine Angst zu haben
Nun
Zittern
Wir beide
Wie Espenlaub
„Hör zu!
Mir
Haben sie
Menschen töten
Beigebracht!
Beigebracht
Haben sie mir
Wie leicht
Wie schnell
Und
Wie sicher
Ich
Dich
Töten kann!
Verstehst du?
Dir auch
Mit Sicherheit“
Seine Augenlider zittern
Seine furchtsamen Blicke
Richtet er
In
Meine Augen
Ohne
Ein Wort
Seine Zähne sind
Fest
Zusammen gebissen
Ich halte
An seinen Schultern fest
Und
Rüttele heftig
Pausenlos
Zittern
Wir beide
Im Nu
Schnappe ich
Sein Gewehr
Vom Boden
Und
Hänge es
An seine Schultern
Und
Meines
An meine eigenen
Ich nehme seine Hand
In meine
Seine Hände sind
Eiskalt
Auch meine
Ich vorne
Er hinter mir her
Laufen wir
Davon
Und
Rennen
Ganz außer Atem
So
Überschreiten wir
Täler
Und
Berge
Der Waffenlärm
Hört nicht auf
Als ob
Gerade
Die Berge
Zusammenstürzen würden
In der Abenddämmerung
Passieren wir
Enge
Kurvige Wege
Ohne zu Atem
Zu kommen
In einem Dorf
Kommen wir an
Das Dorf sieht
So verlassen aus
So leblos
Als ob es
In die Erde gekrochen wäre
Meine rechte Hand
In seiner Linken
Klopft er
An einer Haustür
Nochmals
Es kommen Stimmen
Von Innen
Die ich nicht verstehe
Die Tür wird
Ganz langsam geöffnet
Er schubst mich rein
Und
Folgt mir nach
Mit eigenen Händen
Verriegelt er
Die Haustür
Ganz fest
Umarmt er mich
Ohne
Ein Wort
Zwei Augen
Wie
Zwei Brunnen
Mein
Nasses Hemd
Ist
An meine Rücken geklebt
Die Frau
Ist
Anscheinend
Seine Frau
Und
Drei Kinder
Mit angstvollen Blicken
Sie
Stehen
In der Ecke
Hinter der Tür
So leblos
Der Bombenlärm
Wird
Wieder intensiver
Nun
Fahren die Panzerfahrzeuge
Am Haus vorbei
Die Erde erzittert
An meiner
Rechte Hand hält er fest
Und
Zieht mich
Hinter sich her
Durch die Holzleiter
Die so aussieht
Als würde sie
Beim ersten Tritt
Zusammen brechen
Wir steigen
Herunter
Hinter uns kommen
Erst Kinder
Einzeln
Und
Dann die Mutter
Hinunter
Dieser feuchte
Stock dunkele Raum
Müsste der Keller
Des Hauses sein
Es dauert nicht lang
Ein Streichholz
Wird angezündet
Und
Damit auch
Eine Kerze
Die Kinder
Verkriechen sich
In einen Winkel
Zu ihnen
Setzt sich
Ihre Mutter
Auf dem Boden liegt
Ein Kelim aus
Ziegenhaaren
Und
Kissen liegen
Oben drauf
Mir flüstert
„Mein Freund“
Doch
Verstehe ich nicht
Er selbst
Setzt sich
Zuerst
Und
Dann
Lege ich mich
Zu ihm nieder
Eine
Einzige
Schwache
Kerze bemüht sich
Die große Dunkelheit
In diesem Raum
Zu besiegen
Sogleich
Der Bobenlärm steigt
Bewegen sich
Die Hände
Die Arme
Und
Versuchen
Die Köpfe zu schützen
Die Mutter
Steht
Immer wieder auf
Und
Hält ihren Körper
Schützend
Über
Ihre Kinder
Immer wieder
Klammern sich
Die Kinder
An ihre Mutter
„Mein Freund“
Hält
Die ganze Zeit
Meine rechte Hand
Fest
Es gibt kein Ende
Für diese Folter
Es geht weiter
Als ob sie sich
In die Endlosigkeit
Erstrecken würde
Plötzlich spüre ich
Eine Hand
Auf meiner linken Schulter
Ich sammele mich
Öffne meine Augen
Es
Ist Tag geworden
Die Kerze
Ist schon längst
Ausgegangen
Ein Lichtbündel
Fällt
Filtriert
Durch
Feucht-dunkle Luft
Herein
Irgendwo müsste es
Ein kleines Loch geben
Ich bemerke
In der Ecke
Schlafen die Kinder
Noch
Unter einer Decke
Ich registriere
Einen kleinen
Frühstücktisch
Mitten im Raum
Verbleichte Gesichter
Strahlen
Eine zweifellose
Herzlichkeit
Und
Aus den
Dunklen
Traurigen Blicken
Strahlt
Ein warmes Licht
Ein
Warmes Gefühl
Besetzt
Mein
Inneres
Ohne
Widerstand
Ich höre
In meinen Ohren
Mein
Eigenes Geflüster
„Das ist es“
Bingen, 24.09.2005